Das waren noch Zeiten! Direkter Kontakt zum Publikum und Präsenz-Seminare. Wir müssen uns den Anforderungen im Alltag stellen, sonst wachsen sie uns über den Kopf. Ich kann verstehen, wenn manche im Kurs in der ersten Runde sagen: „Der Clown ist mir so weit weg“.
Ich merke jetzt selbst, dass es anstrengend sein kann, auf Dauer zu Hause zu bleiben und online zu kommunizieren und dabei nicht zu wissen, wie lange dieser Zustand andauert und in welches Geschäft wir gehen dürfen. Familien haben es bestimmt noch schwerer.
Wir fangen dann an, uns zu strecken und nach und nach durch Bewegung des ganzen Körpers körperlicher zu werden. Wir fangen an, Verbindung zum Atem und zum unserem Ausdruck herzustellen. Ich finde es immer wieder erstaunlich und anregend, wie viel Ausdruck in uns „steckt“ und wie kleine Änderungen in unserer Haltung, andere Gefühle und Anregungen in uns wecken. Wir lösen uns von einem bestimmten Ausdruck oder einer bestimmten Haltung und wenden uns unsere Ausdrucksfähigkeit zu.
Wir nehmen Kontakt zu einem Spielpartner oder zu einer Spielpartnerin auf und teilen einer Haltung oder ein Gefühl im Spiel mit. Der oder die PartnerIn teilt diese gefühlte Haltung mit uns im Sinne von „mir geht es genauso wie Dir“. Wir kommen ins Spiel miteinander. Wir machen nicht nach, sondern fühlen uns ein. Wir kommen in Beziehung. Wir kommen ins Spiel. Ein Spielraum entsteht.
Beim Anziehen der roten Nase atmen wir symbolisch den Alltag aus und steigen bewusst in einen Spielraum ein, in dem wir uns neu entdecken können, wie Körper und Gefühl „sprechen“. Wir fangen aber auch an, auch alltägliche und bekannte Haltungen, Gefühle und Gedanken in den Spielraum „einzuladen“. Wir laden den Alltag in unseren Spielraum ein. Alltägliches erscheint uns nach und nach Anlass zum Lachen. Alltag wird zum „Spielmaterial“.
Wenn wir uns mit anderen verbunden fühlen, lachen wir ja. Wir werden witzig. Das geht ja automatisch. Genau das ist es, was uns im Augenblick fehlt – wahrscheinlich mehr als sonst.
Die Welt des Clowns ist keine „andere Welt“. Sie ist nur eine andere Welt als wir oft in unserem Alltag erleben, weil sie eine Welt ist, in der wir mit uns und mit anderen verbunden sind, in der wir uns mitteilen, so wie wir uns fühlen. In dieser Welt fühlen wir uns sowohl gelöst als auch verbunden. Sie ist keine „Spielwelt“, sondern eine Welt, in der wir spielen und unseren Spielraum entdecken, vielleicht wieder entdecken. Sie ist eine Welt, in der wir uns erst einmal zu uns selbst Beziehung aufnehmen und gestärkt in die Welt gehen. Sie ist eine Welt, mit deren Hilfe, wie unseren Alltag mitbestimmen lernen.
Seit letzten Mittwoch bin ich jeden Tag online und nach drei freien Tagen bin ich heute abend - diesmal mit der ersten Jahresgruppe - wieder online. Alle sind erfreut, dass wir uns so begegnen können, auch wenn sie traurig sind, noch nicht in Person zusammen zu kommen und manche empfinden diese Möglichkeit doch als stressig. Dennoch sind alle bewegt und begeistert vom Spielraum und dem Gruppengefühl im Internet. Es geht doch!