Gerade hat mir eine frühere Teilnehmerin meiner Jahresgruppen geschrieben: „Was mich gerade sehr beschäftigt: In meinem Umfeld, persönlich und privat, verbreiten sich immer mehr Verschwörungs-Theorien, ich bekomme von Menschen, die ich mag und schätze, zu hören, dass wir alle von denen ("die" heißt es dann - wer immer das auch ist) manipuliert werden, Bill Gates will die Menschheit ausrotten, dass dunkle Mächte gegen die hellen Mächte kämpfen.... usw.
Sie fährt fort: [Man sagt mir…] „dass ich doch dumm sei, wenn ich mich von den öffentlich-rechtlichen Medien, der Regierung an der Nase herumführen lassen würde. Ich finde damit keinen Umgang und fühle mich sehr hilflos,… Ich habe mich dann auch gefragt, ob und wenn ja wie der Humor mir da helfen könnte, Du weißt, ich lache gerne, aber mir bleibt in solchen Situationen die Luft weg zum Lachen.“
Geantwortet habe ich (u.a.): „Wenigstens gibt es einen vernünftigen Menschen noch auf dieser Erde! Ich habe Deine Mail meiner Frau vorgelesen. Sie nickte und stimmte überein. Das kennt sie genauso, besonders im Internet. (Sie ist auf facebook durchaus aktiv). Ich freue mich, dass Du mir geschrieben hast. Es ist sicher nicht einfach, selbst das Gleichgewicht zu halten, wenn alle anderen schwanken. Vor allen Dingen geht es um den Umgang mit Hilflosigkeit, mit etwas was ich nicht kontrollieren kann, mit dem Gefühl der Ohnmacht.
Wie reagieren Menschen auf die Ohnmacht: Manche resignieren, kollabieren, geraten in Panik. Andere versuchen, gegen die "dunklen Mächte" den Kampf aufzunehmen. Star wars. Herr der Ringe. Um uns herum ziehen die dunklen Mächte sich zusammen und wir haben keine Chance – DOCH – wir wissen, wer wirklich an unserem Elend Schuld hat.... und wir setzen uns zur Wehr. In diesen Zeiten kommen diese emotionsgeladenen Reaktionen anscheinend sehr rational daher.
In Zeiten der Pest im 14. Jahrhundert (u.v.a) waren es - wie könnte das anders sein - die Juden, die schuld waren. Immer sucht man nach Schuld. Man konnte damals diese "Strafe" sonst nicht erklären. Man kam nicht darauf, dass es um einen Mangel an Hygiene liegen könnte und an den Ratten, die dadurch angezogen wurden.
Hier haben wir dieselbe Dynamik. Nur würden sich Deine Freunde/Freundinnen sich sehr dagegen wehren, in diesen Topf gesteckt zu werden. Nur, wo ist der Unterschied?
Es ist sehr verlockend, sich als tapfere Kämpferin/tapferen Kämpfer gegen die unsichtbaren Gegner doch zu wehren, ohne Aussicht, doch heldenhaft. Oder doch genau zu wissen, was WIRKLICH läuft. Alle anderen sind verblendet. Das ist eine Form der Paranoia. Vermutungen, Annahmen werden Realität. "Es geht mir so, also muss es so sein und irgendjemand muss das wollen. Ich blicke aber durch. Ich weiß Bescheid!"
Wirkung wird zur Absicht. Wir müssen Schutzmasken anziehen, also muss das jemand wollen. "Jemand will uns zwingen. Ich lasse mich aber nicht zwingen." „Allen anderen wird Angst gemacht, mir nicht!“
Mir hilft es, immer wieder meine Mitte zu spüren. Singen hilft, Oboe und Klavier spielen. Im Garten arbeiten. Holz hacken. Und Milane fotografieren. All das hat nichts mit diesem Wahnsinn zu tun, sondern hilft uns emotional auf gute Weise, uns zu regulieren. Darüber habe ich hier schon geschrieben.
Humor entwickelt sich aus einem Gefühl, bei sich zu sein und aus der Erkenntnis wie schnell man aus dem Gleichgewicht fällt. Wahrer Humor gründet auf der Fähigkeit, sich zu lösen – gelöst zu sein. Also verbringe viel Zeit mit dem, was Dich löst und zentriert - und was dem anderen hilft. Und mache klar, wann bei Dir der Spaß aufhört. Dann kann das Lachen wieder kommen. Und prüfe nach, was stimmt, was nicht stimmen kann und wozu Du stehst. Die Wirkung ist nicht unbedingt mit der Absicht geleichzusetzen.
Wie die Teilnehmerin sagte: „Vielleicht sollte ich dann einfach ein Dada Gedicht aufsagen, singen....“ Bleibt standhaft, sorgt für Dich und helft mit!