Seit 1983 begleite ich viele Menschen, die in unterschiedlicher Weise den Clown und den Narren als entscheidende Anregung und praktische Hilfe zu neuen Lebenswegen genutzt haben. Komik entsteht gerade durch die Erschaffung einer Notlage, sogar ausgerechnet durch die Verstärkung einer Notlage und nicht durch die vorzeitige Auflösung oder Harmonisierung. Humor ist die Qualität, mit menschlicher Not so umzugehen, dass wir die emotionale Würde beibehalten, selbst wenn wir noch keine Antwort darauf haben, bis uns der Kopf schwirrt.
Gerne denke ich dabei an eine Teilnehmerin, die im Laufe der letzten 10 Jahre viele "Narrensprünge" getan hat. Den Anfang nahm dies durch eine erste Bühnenerfahrung. Dabei nahm sie sich einen Schemel, setzte sich darauf und wusste nichts anderes zu tun, als auf dem Schemel zu sitzen und zu warten.
Sie trug eine alte Hose mit Hosenträgern, ein kariertes Hemd und hielt eine Handtasche vor sich, als ob sie sich an ihr festhielte. Sie atmete ab und zu schwer durch. Sie schien wirklich nicht zu wissen, wie es weitergehen sollte. Sie schien auf eine Anweisung vom Schicksal zu warten - oder vielleicht einfach von mir, damit es weiterginge. Nach einer ganzen Weile fragte ich sie dann doch als Regisseur, wie es ihr ging. Da sagte sie auf schwäbisch: "So hab`i mei` Läbe`it vorgstellt!" Alle Teilnehmer mussten lachen.
Das war zunächst nicht komisch gemeint. Oft ist es so, dass das Komische erst von außen für andere sichtbar ist. Das Tragikomische ihrer Lage, die sich in dieser Szene spontan zeigte, war nicht nur ein Bild der Situation auf der Bühne, in die sie sich manövriert hatte. Sie war ein genaues Bild einer Lebenssituation, die bis dahin ihr Leben ausmachte.
Dieser unerwartete Erfolg als unbeabsichtigte Clownin diente ihr aber als Ansporn, sich als Clownin weiter auszuprobieren. Ganz überracht war sie, als sie entdeckte, wie viel Lebensfreude und Lust auf Unsinn sie hatte. Sie stellte fest, dass diese Art des Spiels eine besondere Kraft in ihr freimachte, eine ihr eigene Komik, die erst dann geschah, als sie bereit war, sich ausgerechnet auf das einzulassen, was sie partout nicht trotz gutem Verstand nicht kapierte.
Einige Jahre später marschierte sie mit großem Elan in der Aufmachung von damals mit dem Zusatz einer roten Pudelmütze auf der Bühne hin und her, stellte sich dann hin und verkündete (erst auf die Beine, dann auf die Brust und dann auf den Kopf zeigend) mit großer Lebenslust und aus vollem Herzen: "Do isch nix! Do isch nix! Un do is no nie ebbes gewäh!" Auch hier erlebte sie große, lachende Zustimmung.
Komik entsteht so oft erst dann, wenn unsere alltägliche, selbstverständliche Sicht der Dinge nicht mehr ausreicht. Humor ist die grundlegende Qualität, gerade damit so umzugehen, dass wir gerade in der Niederlage unsere gesunde Heiterkeit wieder finden.