Die Tage werden wir auf mannigfache Art geprüft, gerade was unser Sinn für das, was wir als wirklich empfinden...
Eine mail hat mich vor ein paar Tagen erreicht mit dem einzigen Satz: „hast Du ne Ahnung was da läuft?“ In einer weiteren mail steht: „Wow, wer hätte das gedacht! Ein Gefühl, wie im Film oder eher im falschen Film. Ein Gefühl so fremd … und auf einmal ist alles ganz anders.“ Wieder eine andere spricht: „Ach du liebe Güte! Hier ist es kalt, aber wunderschön. Alle Straßen leer! Alle Radfahrer halten 1,5 Meter Abstand! Wir haben munteren E-Mail-Austausch, sogar die kleinen Querelen der letzten Wochen sind vergessen!“ Und dann als Antwort an die erste: „naja, irgendwie stehen wir alle vor Corona ziemlich dumm da....sollen nicht mehr arbeiten, sollen uns testen lassen, sollen Angst haben, sollen zuhause bleiben, sollen alles sinnvoll finden, sollen es hinnehmen, dass es ja sowieso kommt, sollen es aber auch wieder nicht hinnehmen, sondern keine Angst haben, sollen auf KEINEN FALL panik haben, aber wir sollen schon wissen, wie gefährlich es ist, aber auf keinen Fall Angst haben.... und wenn wir sagen, es ist doch ein milder Verlauf, wenn wir gesund sind, dann sind wir Leute, die GEFÄHRLICHE THESEN verbreiten...“
Was lösen diese Aussagen in mir aus?
Mich im falschen Film zu fühlen, ist nicht ungewöhnlich in meinem Leben. Dieses Gefühl habe ich immer mit mir herumgetragen. Dieses Gefühl führte mich dazu, nicht nur herauszufinden, wie ich „den richtigen Film“ finde, sondern ob es ein Leben gibt, jenseits eines Filmskripts. Ich wollte gar nicht im Film auftreten, schon gar nicht im Film anderer Leute. Und das tat ich trotzdem, obwohl ich es nicht wollte, musste ich feststellen. Das tun wir ja alle. Das müssen wir erst einmal tun. Wir lernen automatisch die Sprache, das Verhalten, die Orientierung und die Sichtweise der Menschen um uns. So wachsen wir in die Welt hinein.
Mich hatte es immer fasziniert, wie sehr wir von der Sichtweise um uns geprägt sind und vor allen Dingen, wie unterschiedlich und wie „wahr“ alle bestehenden Sichtweisen sind. Es wird oft als „gefährlich“ für die eine Sichtweise angesehen, wenn man eine andere kennen lernen will. Oft wird davon abgeraten, sich überhaupt dorthin zu begeben, dort wo diese Art zu sehen vorherrscht. Und doch tun es nicht wenige. Hier zeigt sich der altbekannte Widerspruch zwischen „Sicherheit“ und „Freiheit“ .
Der Film, der gerade einen Riss bekommt, ist also uns sehr vertraut. Wir sind so sehr damit aufgewachsen, dass wir nicht mehr sehen können, dass diese „Normalität“ nur vorübergehend ist und nur eine Spielart der vielen Möglichkeiten menschlichen Lebens und Zusammenlebens. Vorübergehend gibt es einen Riß in der bekannten „Normalität“ .
Vielleicht ist dieser Riß eine Art Pforte zu einer anderen Realität. Wie immer, wenn die Dinge schief liegen.