Gerade, weil ich Humor als eine zentrale menschliche Fähigkeit ansehe, interessiere ich auch mich dafür, wie „der Spaß aufhört“. Das gehört genauso dazu. Ansonsten würden wir „im Paradies“ leben, könnte man denken. „Paradies“ ist ein Zustand, den wir uns alle wünschen – das Paradies auf Erden: Leben, lieben, sich freuen, sozusagen.
Hätte irgendjemand etwas dagegen? Ich glaube nicht. Und selbst wenn wir noch die Arbeitswelt mit einbeziehen und das, was man gerne „den Ernst des Lebens“ nennt, schließt das die Lebensfreude keineswegs aus. Das muss überhaupt kein Gegensatz sein. Wir arbeiten gerne, nicht nur um Geld zu verdienen. Wenn sie uns fehlt, wie jetzt für viele, so fehlt uns etwas sehr Wesentliches. Das erleben viele gerade jetzt. Es geht also nicht darum, „Lebensfreude“ mit einem Leben auf der „faulen Haut“ gleichzusetzen.
Die Fähigkeit zum Humor ist nicht unbedingt das Ergebnis eines sorgenfreien Lebens, sehr oft entsteht er durch das Gegenteil. Er stellt gerade einen besonderen Umgang mit den Ungewissheiten und Stolpersteine des Lebens dar. Er hilft uns, den Kontakt mit unserer Lebendigkeit wieder herzustellen, wodurch wir die kleineren und größeren Widrigkeiten des Alltags überwinden.
Wenn wir dies zur Grundhaltung machen können, sind wir immer in der Lage uns mit unserer Lebendigkeit in Verbindung zu setzen. Wir können unser seelisches Gleichgewicht wieder herstellen und das bestätigt uns in der Gewissheit, dass wir grundsätzlich in Ordnung sind. Daraus kann eine Gelassenheit entstehen, die sich viele Menschen wünschen und die uns hilft, mit unseren natürlich entstehenden Ängsten umzugehen. Das Lächeln des Dalai Lama zeugt von dieser Fähigkeit. Wenn wir so ausgeglichen sind, im Grunde zufrieden mit uns und die Welt, fühlen wir uns „in unserer Mitte“. Sie ist erlebbar, wenn wir lachen, singen oder auch wenn wir ruhig atmen.
Gerade in der gegenwärtigen Situation ist Gelassenheit aus vielen Gründen nicht so einfach. Es sind viele konkrete Gefahren, die uns verunsichern. Die Gefahr für unsere Gesundheit, den seelischen Druck und ein notwendiger Schutz, der unser wirtschaftliches wie auch unser Arbeitsleben zum Erliegen gebracht hat. Den Folgen kann niemand entgehen.
Es gibt genügend nicht-paradiesische Zustände im Leben. Ich probiere es nicht, sie alle auflisten zu wollen. Was uns aber generell den Humor nimmt, hängt immer mit einer Minderung unseres Selbstwertgefühls zusammen. Wenn wir abgewertet werden, wenn wir zum Objekt degradiert werden, Ablehnung erfahren, unsere Freiheit eingeschränkt bzw. unser Recht, uns zu äußern, fühlen wir uns geschwächt und hilflos.
Wer den eigenen Freiraum schützen will und kann, versucht es gerade oft durch Einschüchterung, Drohungen, Gewalt, Beleidigung und durch alle möglichen Formen der direkten und indirekten Herabsetzung. Dazu gehört auch Formen des „Humors“, über die der Betroffene nicht lacht, nur der Angreifer. Manchmal richtet sich „Humor“ gegen sich selbst, um gerade mit einer solchen Situation umzugehen. Das ist ein „Humor aus der Not“ heraus und reflektiert oft die Bitterkeit und Wut, die jemand empfindet, der so angegriffen wird. Oder man versucht durch mokierende Witze sich zur Wehr zu setzen.
Das führt sehr schnell zu einem „Teufelskreis“ einer Reaktionskette, die ich „Aktion-Reaktion“ nenne. Wenn man mich haut, so haue ich zurück. Wenn ich nicht zurück hauen kann, ziehe ich mich zurück oder mache mich selbst klein und unscheinbar, damit ich nicht weiter angegriffen werde. Wir sehen heute, wie viele auf die Not-Situation mit Beschuldigungen, Klagen und Anklagen, Zweifel und Gegentheorien, Verweigerung, Selbstsucht und Selbstmitleid reagieren. Man will die Not nicht – verständlicherweise – und bekämpft sie mit Mitteln, die die Not noch stärker macht.
Gerade schreibt mir eine frühere Kursteilnehmerin, die eine lange Leidensgeschichte erlebt hat und immer dagegen ankämpfte. „Ich habe so viele Gurus gehabt und es hat alles nichts genutzt“ sagt sie. Erst später konnte ich formulieren: Viele Gurus verderben den Brei.
Gerade mit verschiedenen Formen des „Aktion-Reaktion-Teufelskreises“ kommen Menschen zu mir und suchen im Clown- und Narrenspiel nicht nur eine Erleichterung oder eine Art Ruhepause. Eigentlich suchen sie einen anderen Zugang zu sich und einen anderen Umgang mit sich und anderen.
Ein erster Schritt in diesem Prozess besteht darin, die unterschiedliche Qualität dieser „Kreise“ zu erkennen. Was braucht es, in meine Mitte zu kommen? Denn nur aus dieser „Mitte“ habe ich die Möglichkeit, den „roten“ Bereich unseres Umgangs überhaupt zu erkennen. Denn wenn ich zurück haue, nehme ich wohl oder übel genau so am Aktion-Reaktions-Spiel teil.
Sich daraus zu lösen und Kontakt zum eigenen Selbstwert herzustellen, steht im Mittelpunkt dieses Prozesses. Aus meiner Sicht müsste Humor zu einem zentralen persönlichen Prozess werden und das Clownspiel zu einer spielerischen Anleitung im Umgang mit sich und daher mit der Welt – mit ihren Möglichkeiten und mit ihren Widrigkeiten. Dieser Prozess bleibt das Kernstück meiner Arbeit.